Tor'gra - Pfad einer Flammenwächterin
Von alten und neuen Pfaden
Teil VII
Erzählung und Bilder Tor'gra
Ashran, Kriegsspeer.
Die Festung lag noch im Halbdunkel, als Torgra sich aus ihren Fellen schälte. Während sie ihre Schulterstücke festzurrte, dachte sie noch einmal an die bisherige Reise zurück.
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Nach der Fahrt von Zuldazar hin zu den Echo-Inseln hatte der Goblin ihr noch die Begleitung der Ladung, die für Sen’jin und Klingenhügel bestimmt war, aufs Auge gedrückt. Da die Richtung grundsätzlich stimmte und sie ein gutes Gefühl dabei hatte, ihre Gegenleistung für die Überfahrt auf die Begleitung der kleinen Handelskarawane auszudehnen, hatte sie keine Einwände erhoben. Etwa einen Tag es sie gekostet, doch dieser Tag hatte sie auch noch einmal auf die Probe gestellt. Krushk Eisenfaust, ein Kriegshymnenorc und Waffenbruder seit der ersten Tage, die sie ihrem Häuptling nach Orgrimmar gefolgt war, befand sich gerade in Klingenhügel, als ein Rudel Blutmähnen die sich nahende Karawane überfielen. Seite an Seite hatten sie gestanden, bereit die für die Orcs bestimmten Vorräte zu verteidigen, aber Krushk konnte nicht entgehen, dass sie beim Anblick des teils ausgemergelt wirkenden Rudels Stacheleber zunächst gezögert und ihnen dann zwei große Kisten vor die Füße geschmettert hatte. Daraufhin vergaßen die Eber den Kampf, klaubten die Vorräte zusammen und verschwanden mit ihnen. Bei der anschließenden Lagerfeuerrunde im Klingenhügel hatte Krushk sie verärgert zur Rede gestellt.
„Was sollte das, Torgra? Die Stacheleber sind unsere Feinde, seit wir diesen Ort befestigt haben, das weißt du so gut wie ich. Die Vorräte waren für die Krieger gedacht, die sich hier auf die Kriegsfronten vorbereiten.“
" Hat dhea…" brummelnd brach sie ab, „ich meine, hast du sie dir mal angesehen? Diese zwei Kisten konnten wir entbehren. Die Stacheleber sahen nicht so aus, als hätten sie gut drauf verzichten können.“
„Und? Je mehr von denen verschwinden, desto besser,“ knurrte Krushk. „Du hast dich verändert, Speertanz. Es gab noch Zeiten, da hattest du richtig Blut geleckt. Wie oft haben wir Seite an Seite gekämpft, du hast ausgeteilt und eingesteckt. Und jetzt wirfst du denen vor die Füße, was sie haben wollten? Es wäre ein Leichtes gewesen, die klein zu kriegen.“
Torgra hatte reglos da gestanden und sich erst klein wie ein Welpe gefühlt, der gerade von seinem Vater geschüttelt wurde, weil er unachtsam gewesen war. Dann jedoch hatte sie die Flamme wieder in sich gespürt und einen tiefen Atemzug genommen, der ihr half, Klarheit zu gewinnen. Aufrecht und gelassen erwiderte sie Krushks zornigen Blick.
Aber worin hätte die Ehre gelegen, Krushk? Einen Gegner zu töten, der schon am Boden liegt?" Der Krieger knurrte, „Ich erkenne dich nicht mehr wieder, Torgra,“ und war wütend weggestapft. Sie hatte ihm noch minutenlang mit einem leisen Bedauern nachgesehen und dennoch verwundert die Wärme und Freude bemerkt, die zeitgleich in ihr ruhte.
Ehz sen wahr, Krushk. Egh ben nub mehr dhe Kriegerin die egh mal war. Dhe Horde sen nub mehr, wahz se mal war. Egh weiß nogh nub, wer egh sen werd, aba dahz hier sen nub mehr mer Wegh.
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Es erstaunte sie noch immer, wie gut und richtig auch diese Begegnung gewesen war, obwohl sie den Entschluss, nicht mehr der Horde zu dienen, bereits vor vielen Monden für sich gefällt hatte. „Aba egh hab se nub ganz bewusst gefällt. Egh ben weggerannt,“ murmelte sie und erntete dafür die Zustimmung ihrer inneren Stimme.
Geflüchtet. Nicht vollends blindlings, aber auch nicht sehen-wollend. Lediglich ihre Wut und Selbstverachtung hatte sie angetrieben. Die bewusste Entscheidung, die sie dieses Mal hatte fällen können, fühlte sich weitaus besser an. Und in Orgrimmar hatte sie dann auch ohne inneren Widerspruch das Windportal nehmen können, das sie hierher nach Ashran geführt hatte.
Die letzte Nacht hatte sie zum ersten Mal seit langem tief und fest geschlafen. In ihrem Traum hatte sie viele Gesichter kommen und schwinden sehen, manche bewusst, andere unbewusst. Die beiden Schamaninnen der Nordorc’n, Rriia und Sunekka, lächelten ihr zu, und im nächsten Augenblick war sie plötzlich tatsächlich wieder ein Welpe, der in dicke Felle eingewickelt am großen Versammlungsfeuer der Frostwölfe hockte und fasziniert in die Flammen blickte. Sie vergaß alles andere, völlig gebannt von deren Tanz. Plötzlich formte sich ein Gesicht aus dem Feuer heraus; das Gesicht eines betagten männlichen Orcs, der eine Augenbinde trug. Sie kannte dieses Gesicht, auch wenn es im Feuer etwas anders schien als sie es in Erinnerung hatte. Drek’thar, der Schamane der Frostwölfe.
Die Geister haben dich schon angekündigt, Torgra. Ich warte auf dich…
Seinem Ruf folgte sie nun, zurück zu ihren Wurzeln.
Torgra schnürte ihre letzten Habseligkeiten zusammen und kraulte Karragh, der in Ashran auf sie würde warten müssen, noch einmal ausgiebig das Nackenfell. Dann ging sie zu dem Windreiter, der schon für sie bereit stand. Als sie aufgesessen war und er sie hoch in die Lüfte trug, paarte sich die Freiheit des Fluges mit der Leichtigkeit und Freude, die sie in ihrem Herzen spürte. Ein lautes „Hoowah!“ schmetternd, ließ sie die Festung unter sich zurück.
Fortsetzung folgt . . .