von Ba'shek Grem'ash » 30.03.2022, 13:33
Der Schleier der Nacht lag über den Sümpfen, nur vage sah man einen schwachen Feuerschein. In der Ferne erklang hier und da das Geheul einiger Wölfe, im unmittelbaren Umfeld der Reiterin nur das leise Schmatzen, das die Fußstapfen ihres weißen Frostwolfs auf dem lehmigen Boden hinterließen.
„Mer Clan, mer Grom...“ Die Orc lächelte und wischte die Müdigkeit beiseite, die ihr die letzten Tage abverlangt hatten. Lange war sie fort gewesen, wieder einmal auf einer Reise von der sie nicht wusste, wie lange sie dauern und wohin sie sie führen sollte. Die Gedanken, die Erinnerungen an das Warum, wohin.. die Erinnerungen an das Erlebte, suchten sich langsam Raum. Und die Orc entschied sich, für den Moment, sie zuzulassen.
VvvvvV
Es war früher Morgen gewesen, als sie aufbrach, der übliche gelbliche Nebel lag noch über den Sümpfen. Ein leiser Seufzer, ein letzter Blick zurück auf die momentan fast leere Festung der Donneräxte. Ihr Clan. Sie wusste noch nicht, ob sie sie wiedersehen würde. Sie war nun eine von ihnen, das spürte sie im Herzen, im Blut. Aber es schien, als wäre sie auch noch immer eine Getriebene. Getrieben von der Schwarzen Schlange, wie sie die Banshee nannte, die fatalerweise die Geschicke der Horde eine zeit lang in den Händen gehalten hatte. Aber da war auch noch etwas anderes. Eine Dissonanz, die sie in sich entdeckt hatte und die sie nicht verstand. Eine Rastlosigkeit.. das Gefühl einer Bedrohung. Irgendwie hing sie mit der Schlange zusammen, die Torgra zu hassen gelernt hatte. Und mit ihr alle, die sie erschaffen hatte – die ihr folgten. So war es auch gekommen, dass sie hier, in ihrer neuen Heimat, inmitten der Sümpfe wieder einmal die Zweifel zu plagen begannen – denn hier galt jeder als Gast, der sich nicht feindselig verhielt – es sei denn, er hätte einen blauen Wappenrock getragen. Während sie das Misstrauen den Blauröcken gegenüber durchaus verstand, fiel es ihr schwerer, die Gastfreundlichkeiten und das den Verlassenen gegenüber aufgebrachte Vertrauen akzeptieren zu können.
Oh, sie wusste selbst, dass die Besucher ausgenommen freundlich und höflich gewesen waren. Das änderte aber nichts daran, dass während die Delegation der Apothekervereinigung in den Sümpfen unter ihrer Führung nach Trauermoos Ausschau gehalten hatte, ein paar Äußerungen gefallen waren, die Torgra nicht an eine ehrenhafte Verwendung dessen glauben ließen. Sie hatte es Bashek gegenüber angesprochen, doch dessen Pflichten schon als Donnerkrieger hatten ihr nur wenig Zeit gegeben ihre Sorgen zu zerstreuen, und die Sturmschwestern waren beide ebenfalls sehr eingebunden gewesen. Dann kam die Zeit, in der viele Krieger zu verschiedenen Schlachten aufbrachen und an der Flamme in den Sümpfen kaum noch jemand anzutreffen war. Wie so viele hatte es auch sie eine Zeit lang fortgetrieben – zu einer der unzähligen Fronten in direkter Konfrontation mit den Blauröcken. Diese Schlachten versöhnten sie, auch wenn sie sich manches Mal dabei ertappte sich zu fragen, wer nun mehr Ehre besaß: Die Blauröcke oder der Teil sogenannter „Verbündeter“, der nun schon solange die Orc sich der Horde angeschlossen hatte, bereits der Banshee unterstellt gewesen war. Und sie hatte sich sich immer wieder dabei ertappt, sich ein anderes, geeintes Azeroth zu wünschen. Horde und Allianz, vereint gegen den Untod – vereint gegen die Banshee. Und das Gefühl der Dissonanz wurde stärker. So stark schließlich, dass sie zunächst zum Plateau der Elemente zurückkehrte, um dort ihre innere Mitte wiederzufinden. Zwei Monate blieb sie dort, bevor sie erkannte, dass sie die Antworten, die sie suchte, dieses Mal nicht dort finden würde. Ihr nächster Weg führte sie zu den Frostwölfen. Drei Wochen verbrachte sie dort im Miteinander ihres Geburtsclans. Und wieder waren es die Gespräche mit dem alten Scharfseher Drek'Thar, die ihr schließlich die richtige Richtung gewiesen hatten.
„Ich spüre ein Ungleichgewicht in dir, Tochter der Frostwölfe.“
„Es ist eines in mir, Scharfseher. Etwas, das ich nicht verstehe. Eine Ablehnung derer, die als Verbündete betrachtet werden. Und eine Hoffnung gegenüber denen, die die Feinde unseres Volkes sind. Und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.“
Eine Weile schwieg der alte Orc, seinen Gedanken nachsinnend, aber wohl auch um ihr Raum zu geben, falls sie weiter sprechen wollte. Und so tat sie es schließlich.
„Als ich das erste Mal heim fand, um den Weg des Feuers zu lernen... ohne zu wissen, dass es das Feuer war, das mich gerufen hat...“ Er nickte leicht, und sie setzte fort „da war es gleichzeitig der Wunsch, dem Tod – nein, dem Töten – zu entfliehen und Leben zu wahren. Ich wollte...“ kurz hielt sie inne, und spürte den kalten Schauer, der sich in ihr breit machte, das Entsetzen, das ihr seit der Schlacht um Unterstadt folgte, und sie noch immer nicht los ließ. Unwillkürlich versuchte sie, den Gedanken abzuschütteln, und spürte dass wieder einmal die Wut in ihr aufkeimte. Wut über den Verrat der Banshee auch an den eigenen Reihen, und die Wut über die Ohnmacht in ihr selbst, die sie dem Grauen hilflos hatte zusehen müssen. Langjährige Kampfgefährten hatte sie fallen sehen und auch den einen oder anderen Welpen, der stolz seinen ersten Schlachten entgegen gefiebert hatte. So viele hatten dort einen unwürdigen Tod gefunden – und ein entartetes neues Leben danach. Und der Zorn wuchs. Auf die, die verantwortlich war. Auf deren Volk. Und auf die eigene Hilflosigkeit. Ebenso wuchs die Anspannung. Fest geballte Fäuste, ein stark angespannter Brustkorb, verkniffene Gesichtszüge – ein zorniges Knurren entrang sich ihrer fast zugeschnürten Kehle, und erst die ruhige Stimme des Scharfsehers machte es ihr bewusst.
„Du trägst viele Brände in dir, Torgra. Zu viele. Du hast dein Gleichgewicht gefunden, und nun hast du es wieder verloren.“
Ein langer, tiefer Seufzer entrang sich ihr, und die Anspannung wich einem Teil Resignation, einem Teil Scham.
„Ich weiß es, Scharfseher. Ich bemerke es selbst. Aber... ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie ich es ändern kann. Das Plateau...“
Er unterbrach sie. „...ist nicht der richtige Ort. Erinnerst du dich an unser letztes Gespräch?“
Schweigend stand sie da, mit gefurchter Stirn, und dachte darüber nach. „Ich.. glaube... es war wegen des alten und des neuen Wegs, oder? Du hast gesagt...“
"Du bist weit gekommen Torgra, und vieles Neue liegt jetzt vor dir. Der Weg, den du beschreitest, ist gut und wird dich noch vieles lehren. Der wichtigste Rat, den ich dir jetzt noch geben kann ist: Erinnere dich deiner Wurzeln und des Weges, der dich zu der gemacht hat, die du heute bist. Aber tue es richtig, nutze es als Fundament, nicht als Ort, an dem du lange verweilen sollst.", unterbrach sie der alte Orc. Sie nickte.
„Ich glaube, ich habe den Bund unterschätzt, den du damals eingegangen bist. Den Ursprung all deines Zweifelns. Aber ich sehe in derselben Vergangenheit auch einen Weg. Einen, der dir offen stand, als du hierher gefunden hast, und der dir jetzt weiter helfen kann.“ Er schwieg einen Moment, um ihr Raum zu geben. Aber auch sie schwieg, und so setzte er seinen Gedanken fort. Seine Stimme war nun anders, getragen, weiter fort, und so schien ihr auch der Orc selbst.
„Shado'pan. Der Wind hat sich gedreht. Es ist an der Zeit, ihm zu folgen.“
Pandaria. Die Mönche... die Meister des Zen, die ihr beigebracht hatten, wie sie die Nebel für sich nutzen konnte, deren Ausbildung sie jedoch nie beendet hatte. Alles in ihr sträubte sich dagegen, dorthin zu gehen. Denn dort lag der Ursprung, dort hatten sich so viele Veränderungen ergeben, die sie schließlich an die Tore Unterstadts gebracht hatten...
…. und dann begriff sie. Das Land der Sha, der Manifestationen aller negativen Gefühle: Verrat, Zwietracht, Zweifel, Hass... und die Krieger, die im konatanten Kampf damit ringen. Es war wohl wirklich an der Zeit zurückzukehren, und von den Meistern dort zu lernen.
Sie dankte dem alten Orc mit einem respektvollen, verstehenden Kopfnicken, das er schweigend erwiderte. Dann ging sie fort. Sein Blick folgte ihr mit einem sachten Lächeln, bis ihre Umrisse am Horizont verschwunden waren.
Fortsetzung folgt...