von Ba'shek Grem'ash » 25.04.2022, 11:28
Boten aus dem Eschental
Teil III
Gedanken einer Nordorcin zu Schlachthymnen-Boten
Erzählung von Karula
Bilder von Sunekkâ
Karula sitzt in einer ihrer besten Roben an der großen Flamme des Clans; und wer die Jägerin kennt, weiß, wie selten sie ihre Kettenrüstung für die traditionellen Gewänder der Sturmschwestern eintauscht.
Um sie herum arbeiten duzende Nordorc-Pranken daran, die von ihr frisch zubereiteten Speisen und Getränke anzurichten. Der Duft von frischgebackenem Brot und den Röstaromen gegrillten Fleischs liegt in der Luft, welcher durch eine Kombination aus traditionellen Würzmischungen komplettiert wird.
Die Jägerin nickt zufrieden.
Da sie beim ersten Besuch des verbündeten Clans auf der Jagd war, möchte sie heute alles richtigmachen. Ihr Blick wandert prüfend über das Lager an der Flamme Donneraxt und über die knapp ein duzend Nordorcs, die an diesem Abend zugegen sein werden. Für Donneräxte seit jeher ein Zeichen des Respekts, zahlreich zu erscheinen. Und Speis’ und Trank waren mindestens genauso selbstverständlich.
Auf das Erscheinen der Schlachthymnen-Boten warteten die vielen Nordorcs nun schon lange. Hatten die Schlachthymnen sich im Sumpf verlaufen? Man hatte Karula berichtet, wie unbeholfen sich die Gäste beim letzten Mal in dem ungewohnten Terrain bewegt hatten - und zudem nach Industriemüll der nördlich siedelnden Goblins stanken, wo die Gäste landeten.
Karula schauderte bei dem Gedanken, hatte sie doch ein sehr feines Näschen für Gerüche. Trotzdem bereitet ihr die lange Verspätung Sorgen, so dass sie die stumme Nordorcin Rakjâ mit der Aufgabe betraut, nach den Schlachthymnen-Boten zu suchen.
Zum Glück dauert es nicht lange, bis Rakjâ und ihr Wolf Lakana Erfolg hatten. Sie traf die Fremden wohl direkt vor dem Osttor an, praktisch in Sichtweite zur großen Flamme Donneraxt. Hatten die Boten dieses lebendige lodern denn nicht gesehen?
Da das Tor so nah ist, setzt sich der Großteil des Clans in Bewegung und begutachtet die fremden Orcs aus Kalimdor neugierig. Selbst die Wachen lehnen sich weit von der Palisade herunter, um einen besseren Blick auf die beiden Orc-Weibchen zu erhaschen.
Die Sturm‘Makhai und Scharfseherin des Clans begrüßt die beiden Boten sehr formell. Karula beneidete schon immer die ehrwürdige Art, mit der Sunekkâ dies tat. Zusammen führt sie den Pulk von Orcs wieder an die Flamme, wo man sich die Botschaft des Schlachthymnenclans anhören wird.
Sunekkâ lässt sich gewandt auf ihren Stammplatz sinken und mustert die Gäste. Nach der erneuten Begrüßung steht Karula in ihrer Funktion als Sturmschwester vor Nabira, der fremden Botin, und bietet etwas von dem frisch zubereiteten Essen und Trinken an.
Als Antwort kommt nur die Forderung, dass man ihr Verhalten Entschuldigen müsse.
Karula stockt.
Einer der nächsten Sätze Nabiras ist, dass man nur schnellstmöglich in die Heimat zurück möchte.
Karula stockt erneut.
Sie hatte bereits gehört, wie schlecht der Schlachthymnenclan immer wieder über den Sumpf schimpfte. Es nun selbst in so offener Anfeindung zu hören, enttäuschte sie zutiefst; hatte ihr Clan doch sehr viel Mühe in dieses Treffen gesteckt.
Die Jägerin sitzt schon wieder, als sie mitbekommt, wie die Gäste sich nun sogar weigern, Platz zu nehmen. Direkt vor der Scharfseherin! Sie zürnt und merkt so zu spät, dass neben ihr bereits Starkfâng mit großen Schritten auf die Fremden zustampft, um sie zurechtzuweisen.
Als ein Uruk und Rudelführer ist Starkfâng nicht nur der ranghöchste Krieger, sondern auch der Erziehung von Frischlingen innerhalb des Clans verpflichtet. Und gerade hier scheint er wohl dringend Nachholbedarf zu sehen.
Sein hünenhaftes Erscheinungsbild wird nur noch übertroffen von der brüllenden, lauten Stimme, wenn Wut in ihm aufsteigt. Und Starkfâng ist wütend.
„Hinsetzen, verdammtes Pack!“, donnert der knapp drei Köpfe größere Krieger auf die Boten herab. Der bisher leicht gelangweilt-arrogante Blick Nabiras ist nun echter Furcht gewichen. Auch die zahlreich anwesenden Donneräxte merken, wie die Stimmung kippt; einige befingern gar ihre Waffen, ohne jedoch bedrohlich wirken zu wollen. Auch Nabira und ihre Begleitung waren in voller Bewaffnung vor die Scharfseherin getreten, wie es allgemein unter Orcs durchaus üblich war.
Starkfâng weist die Boten zurecht, welche nicht in der Lage waren, zu widersprechen. Weder gab es eine Entschuldigung für das despektierliche Verhalten der beiden Schlachthymnen-Weibchen, noch erlaubte es ihnen ihre eigene Furcht, frei zu sprechen. Der Nordorc-Hüne Starkfâng beendet seine kurze Rede der Meinung von Karula nach viel zu früh, trotzdem scheinen seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn endlich setzen sich die beiden „Gäste“ und sprechen nun auf Augenhöhe mit der Scharfseherin und nicht mehr von oben auf sie herab. Karula schüttelt noch mal unwillkürlich den Kopf, als die Gespräche der Verhandlung endlich beginnen können, um so auch mit Respekt einer orcischen Tradition Gerecht zu werden – dem Parley. Auch wen zu den Nordorcs kein Verhandlungs-Banner getragen wurde, welches Schutz und freies Geleit gewährleistet.
Karula seufzt innerlich. Das erste Thema des Schlachthymnenklans ist doch tatsächlich die nie erfolgte und lange ausstehende Holzlieferung. Ob wir jetzt noch das vor Monaten durch die Schlachthymnen versprochene Holz gebrauchen können? Jetzt, als der Winter schon eingebrochen war und den kühlen Wind aus allen Himmelsrichtungen auch in die Sümpfe getragen hat! Wie unzuverlässig und respektlos kann der Schlachthymnenklan noch sein?
Karula schluckt den in ihr brodelnden Zorn herunter und ringt um Haltung.
Anschließend fragen sie nach dem Nordorc Raek, der sich jedoch auf der Jagd befindet, und nach einer Kette, die er bekommen hatte. Die Scharfseherin Sunekkâ gibt den beiden knapp zu verstehen, dass nur Raek weiß, was mit der Kette ist.
Karula wundert sich ohnehin über die Natur dieser „Wanderkette“ als Preis. Gerade, weil es doch eigentlich nur ein unbedeutendes und kleines Turnier ist. Diese Art Kräftemessen wird bei den Donneräxten praktisch als Spiel und Zeitvertreib im Mak’roghan angesehen; denn nur die Aufopferungsbereitschaft auf dem Schlachtfeld ist es, die honoriert gehört.
Kaum hatte Karula ihre Gedanken zu Ende formuliert, verabschiedeten sich die Boten schon. Die Nordorcin seufzte leise. Dieses Treffen ist nicht so gelaufen, wie sie es gehofft hatte. Sie steht auf und schnappt sich den großen und reichlich verzierten Trinkschlauch mit frisch gebrautem Donnerschnaps, der als Geschenk für die Boten bereitlag, um ihn respektvoll zu überreichen.
Etwas schnippisch nimmt Nabira diesen entgegen und verschwindet mit ihrer Begleitung in die kühle Nacht des finsteren Sumpfes. Das angebotene Gastrecht und Schlaflager hatte man ja zuvor auch abgelehnt.
Karula seufzte - nur diesmal hörbar laut.